Am Anfang konnten wir die Hände nicht voneinander lassen. Wir suchten ständig die Nähe des*der anderen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit fielen wir übereinander her wie Ausgehungerte. Nach einem Jahr zogen wir zusammen. Ab da teilten wir nicht nur das Bett, sondern auch die Spüle. Kurz: der Alltag zog ein und mit ihm Müdigkeit, Routine und die Lieblingsserie, die wichtiger wurde als das tägliche Bettgeflüster. Und irgendwann stellte ich fest: ich habe kein sexuelles Verlangen mehr nach meinem Partner.

Zufrieden mit dem Alltag – aber kein Verlangen mehr nach dem Partner

Es passierte nicht von heute auf morgen. Die Lust schlich sich einfach langsam aus unserem Leben. Uns war bewusst, dass da was schief läuft. Immer wieder sonntags auf dem Sofa schauten wir uns an und sagten: “Man könnte mal wieder…”. Und an der alten Weisheit, dass der Appetit mit dem Essen kommt, ist schon was dran. Zumindest war es nach wie vor schön, Zeit miteinander zu verbringen. Aber der Hunger, die Lust, das richtig Bockhaben, das blieb verschwunden.

Meine Suche nach dem verlorenen sexuellen Verlangen

Natürlich zuckten wir nicht mit den Schultern und nahmen das so hin – für eine platonische Beziehung fühlten wir uns zu jung. Also bildeten wir uns weiter in Sachen Liebestechniken (und besuchten zum Beispiel einen tollen Bondageworkshop bei Madame Lisa) und versuchten Abwechslung in unseren Sex zu bringen. Ich setzte die Pille ab. Wir kauften uns fancy Latexklamotten, um die Fantasie zu kicken. Buchten zur Entspannung lange Wochenenden in schönen Hotels. Und träumten von einem ersten Besuch im Swingerclub. Doch die Lust blieb weg.

kein sexuelles verlangen mehr Beziehung
Nachlassende Lust führt fast immer zu Selbstzweifeln und Vorwürfen

Wenn ich zurückblicke, wird mir klar, wie sehr mich die Situation verunsichert hat. Ich machte mir Vorwürfe und suchte den Fehler bei mir: Was stimmte nicht mit mir? Sex sollte doch etwas Lustvolles sein – warum empfand ich ihn meistens als anstrengend? Ich fühlte mich wie ein fehlerhaftes Bauteil, während um mich herum alle ihren Spaß zu haben schienen.

Steile These: Ist kein Verlangen nach Sex mit dem Partner überhaupt ein Beziehungsproblem – oder der natürliche Lauf der Dinge?

Was ich nicht wusste: Sehr vielen Frauen geht es wie mir. Sie lieben ihre*n Freund*in, aber nach einigen Jahren schläft die Lust einfach ein. Kein sexuelles Verlangen mehr in der Beziehung zu haben deuten viele als den Anfang vom Ende. Also trennen sie sich und reihen so eine Beziehung an die nächste. Oder einer von beiden geht fremd und holt sich draußen, was zuhause fehlt. Andere versuchen wie wir erstmal alles, um das gemeinsame Liebesleben wieder in Schwung zu bringen. Und resignieren im schlimmsten Fall, wenn das Verlangen trotz allen Anstrengungen ausbleibt.

Dabei ist die ewige Suche nach den Ursachen des Problems ein Teil des Problems selbst. Mehr Entspannung, mehr Abwechslung, öfter mal ein Pärchenabend, weniger Termine, am besten aber ein wöchentliches Date für die gemeinsame Quality Time, in Gedanken dabei schon beim Hormonspiegel, den die Frauenärztin testen soll, ob nicht doch was Körperliches vorliegt – schon klar, oder? Dein Geist ist regelrecht auf Ursachensuche und Problemlösung gepolt. Wenn dann noch ein*e Partner*in dazukommt, der*die chronisch mehr Sex will als du – wie soll da jemals von alleine Lust in dir erwachen?

Ich stelle deshalb die steile These auf:

Wenn das Nachlassen des Verlangens auf den eigenen Partner so viele Frauen betrifft, ist es vor allem eins: ganz normal!

Was wäre, wenn dein Körper einfach dem vorgesehenen Lauf der Natur folgt? Wenn es völlig normal wäre, dass Frauen nach ein paar Jahren die Lust auf ein und den*dieselbe*n Partner*in verlieren?

  • Dann wäre es normal, dass die Lust auch in deiner Beziehung weniger wird.
  • Du könntest das Hamsterrad der Selbstoptimierung stoppen und deine Lust zum ersten Mal so annehmen, wie sie ist.
  • Du wärst nicht mehr zuständig dafür, ob in der Beziehung Sex stattfindet oder nicht.
  • Kein schlechtes Gewissen mehr, wenn du Sex ablehnst.
  • Nie mehr das schlechte Gefühl, nicht genug zu sein.
  • Du müsstest dich vor dem*der Partner*in auch nicht rechtfertigen, warum du keine Lust hast.

Würde sich das nicht wunderbar entspannt anfühlen? Keine Sorgen, keine Schuldgefühle. Was dann aus der Entspannung heraus entsteht – wer weiß?

Akzeptiere deine nachlassende Lust – und entspanne dich endlich

Fun Fact: In vielen traditionellen, ursprünglich lebenden Gesellschaften bleiben Paare in der Regel nur so lange zusammen, bis der Nachwuchs aus dem Gröbsten raus ist. Sprich: sobald der Nachwuchs von der Mutterbrust entwöhnt ist und durch die Gemeinschaft großgezogen werden kann, wendet man sich neuen Partnern zu.

Nun sind die wenigsten von uns Angehörige eines Naturvolks. Wir wünschen uns langfristige Beziehungen und träumen von ewiger Liebe. Und natürlich wünsche ich auch dir und mir alle Liebe der Welt! Aber vielleicht täte es dem scheuen Vögelchen Liebe gut, weniger bedrängt zu werden. Indem wir Liebe und Sex ein kleines Stück entkoppeln. Indem wir den Sex nicht mehr als etwas Selbstverständliches vom Partner, von der Partnerin erwarten.

Das nachlassende Verlangen auf den Partner bedeutet für beide Seiten Veränderung:

  • Der Wunsch nach Sex darf nicht automatisch auf den*die Partner*in projeziert werden. Die meisten Menschen haben zwei gesunde Hände oder andere Hilfsmittel zur Selbstbefriedigung. Akzeptiert, dass in jeder Beziehung einer mehr Lust auf Sex hat, einer weniger.
  • So bekommt der Part mit weniger Lust wieder Luft zum Atmen. Und kann seinen Fokus weglenken von der Ablehnung (der sexuellen Handlung) hin zur Aufmerksamkeit für seine eigentlichen Bedürfnisse.
Kein Verlangen mehr nach dem Partner
Endlich wieder Luft zum Atmen

Was sind deine eigenen Bedürfnisse?

Wer über lange Zeit immer nur mit der stärkeren Lust des*der Partners*in gerungen hat und seine Un-Lust als Makel empfand, kann den Sinn für die eigenen Bedürfnisse verloren haben. Aus der Abwehrhaltung heraus ist es schwer, Forderungen zu stellen – nach anderen Stellungen, anderen Erlebnissen, nach anderem Sex.

Diese 7 Fragen, die du dir stellen solltest, um dein langfristig Sexleben zu verbessern helfen dir, eine Antwort zu finden. Das schöne daran: du musst erstmal gar nichts weiter tun, als sie zu lesen. Wenn es Zeit ist für eine Veränderung, wird dein Unterbewusstsein wissen, was zu tun ist. Gib dir Zeit, wichtige Veränderungen passieren selten von heute auf morgen.

Endlich wieder mehr Verlangen – auch auf den eigenen Partner

Bei meinen Gesprächen mit Swingern und Paaren in offeneren Beziehungsformen kam übrigens immer wieder eins zur Sprache: Viele waren zum Swingen gekommen, nachdem sie vorher eine Durststrecke in der Beziehung durchlebt haben. Dann stellten sie fest: Insgeheim hatten die Frauen durchaus ein sexuelles Verlangen. Nur nicht (mehr) auf Sex mit dem eigenen Mann. Kann es sein, dass auch du tief in dir durchaus Lust auf einen Mann hättest – aber eben nicht auf deinen Mann? Du darfst mir die Antwort gerne schuldig bleiben. Aber versprich mir, mal drüber nachzudenken!

Aber nicht nur ein anderer Mann kann der Lust neues Leben einhauchen. Auch in der Beziehung könnt ihr euch wieder annähern, wenn ihr die gewohnten Bahnen verlasst. Wenn der Kampf um Lust und Unlust schon zur Routine geworden ist, braucht es einen beherzten Schritt zur Seite, um klarer sehen zu können. Eine ganze Reihe Ideen dafür liefere ich dir nächste Woche im Blog – einen Frischekick für eure Beziehung!

In meinem Buch “Die Swinger-Bibel” gebe ich dir Einblicke in die anregende Welt der Swingerclubs und erotischen Parties. Swingen gehen als Paar kann eure Lust auf ganz neue Ebenen heben. Das Buch beantwortet alle Fragen und Sorgen, die die meisten Einsteiger und Neulinge teilen.

Bis dahin interessieren mich DEINE Erfahrungen. Ist die Lust in deiner Beziehung noch frisch wie am ersten Tag? Oder kennst du es auch, dass die Lust auf Sex in einer längeren Beziehung nachlässt? Wie bist du bisher damit umgegangen? Teile deine Erfahrung im Kommentar, auf Instagram oder Facebook und schau, wie es anderen Frauen damit geht!


Fotos (in Reihenfolge) von Christian Newman, Daria Nephriakhina und Max van den Oetelaar via unsplash.com