Vaginismus ist ein Problem, das viele Frauen betrifft, ohne dass sie davon wissen. Sie haben Schmerzen beim Sex, können sie aber nicht einordnen. Vom Frauenarzt hören sie nur: Entspann dich, dann wird das schon. Zusätzlich zu den Schmerzen kommt damit die Scham, selbst daran Schuld zu tragen. Dieser Beitrag meiner Gastautorin flydom erzählt aus der Sicht einer Betroffenen über Vaginismus.


Ich werde oft gefragt, wieso, weshalb, warum.

Wieso ich noch Jungfrau bin?

Weshalb ich keinen Sex haben kann?

Warum ich es nicht behandeln lasse?

Inzwischen ist es mir nicht mehr peinlich darüber zu sprechen. Ich hab’s, es ist ein Teil von mir und die Hoffnung, dass wir uns irgendwann scheiden lassen können, steht in den Sternen. Es ist wie ein unliebsamer Partner mit dem man auf dem Blatt Papier noch verheiratet ist, nur weil kein Geld für die Scheidung da ist, und mit diesem Paket vergrault man andere Menschen.

Aber es ist etwas, was ich auch endlich akzeptieren kann.

Was ist Vaginismus?

Was ist Vaginismus? Ich gebe mal Wikipedia zum Besten:

Unter Vaginismus (oder auch Scheidenkrampf) versteht man eine unwillkürliche Verkrampfung oder Verspannung des Beckenbodens und des äußeren Drittels der Vaginalmuskulatur der Frau, wodurch der Scheideneingang eng oder wie verschlossen erscheint. Vaginalverkehr, eine gynäkologische Untersuchung und das Einführen von Tampons oder anderen Objekten können dadurch sehr schmerzhaft oder – bei Vaginismus in seiner schwersten Ausprägung – unmöglich sein.

Eine neuere Definition von Basson et al. lässt den Aspekt der Verkrampfung beiseite, weil er niemals nachgewiesen wurde, und bezeichnet Vaginismus als „andauernde oder wiederkehrende Schwierigkeiten einer Frau, das Einführen eines Penis, Fingers oder eines anderen Objektes in ihre Vagina zuzulassen, trotz ihres eigenen, ausdrücklich geäußerten Wunsches, etwas einzuführen.“

Vaginismus ist eine sexuelle Funktionsstörung mit unklarer Ursache

Vaginismus gehört zu den sexuellen Funktionsstörungen, genauer zu Schmerzstörungen, und ist häufig zumindest organisch mitbedingt, kann aber auch rein psychisch bedingt sein.

Primärer Vaginismus besteht, wenn es bei einer Frau niemals möglich war, etwas schmerzfrei in die Vagina einzuführen. Er wird meistens erst in der Pubertät oder bei adoleszenten Frauen entdeckt, weil vorher üblicherweise kein diesbezüglicher Versuch unternommen wird.

Unter sekundärem Vaginismus leiden Frauen, deren Vaginismus durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst wurde. Auslöser können schwere traumatische Erlebnisse wie eine Vergewaltigung oder ein Geburtstrauma sein, aber auch vergleichsweise harmlose Erlebnisse wie eine unsanfte gynäkologische Untersuchung oder wiederholte Schmerzerlebnisse beim Geschlechtsverkehr.

Ich finde übrigens die Definition von Basson passender. Denn ich merke keine Verkrampfung. Ich spüre nur Schmerz und die dazu gehörige Angst.

Was ist Vaginismus
Bei Vaginismus setzt dein Körper klare Grenzen – ob du willst oder nicht.

Mein erster Frauenarzt verstand mein Problem nicht

Mein erster Frauenarzt wollte es lange Zeit nicht akzeptieren, dass ich das habe. Die Schmerzen, die ich während der Untersuchung hatte, wären total normal, wenn man sich so verkrampft. Genau das hat damals mein Umfeld ebenfalls erzählt und: Untersuchungen MÜSSEN sein – Augen zu und durch.

Ich habe dann meinen Arzt gewechselt, als ich alt genug war.

Der neue Arzt hat sich meine Sorgen angehört und sagte auch, dass Untersuchungen, solange sonst keine Beschwerden vorliegen, nicht sein müssen. Natürlich wäre es für die Sicherheit angenehmer, aber wenn’s nicht geht, dann geht’s nicht. Er möchte mich auch nicht unter den schmerzenden Umständen untersuchen. Wir haben es einmal versucht – es ging nicht. Eine Diagnose Vaginismus hat er dennoch nicht gestellt, da man’s nicht wirklich untersuchen kann. Ein „Verdacht auf“ steht seither im Raum.

Keiner weiß genau was ich habe….

Wie soll er das auch herausfinden, wenn es keinen Geschlechtsverkehr gab und Untersuchungen unmöglich sind.

Wie soll man Geschlechtsverkehr haben, wenn da unten ein Türsteher den Eintritt verwehrt?

Ihr merkt…. Ein Teufelskreis. Wie soll eine Untersuchung möglich sein, wenn die letzten einfach schmerzhaft waren. Wie soll man Geschlechtsverkehr haben, wenn da unten ein Türsteher den Eintritt verwehrt. Durch einen Ultraschall sieht man leider nichts. Auf Röntgenbildern (meine Chirurgin/Orthopädin hat alle in Frage kommenden Ursachen, die ihr Fachgebiet betreffen, abgearbeitet) ist nichts zu sehen. MRT der Hüfte (damals wegen einer anderen Diagnose; mit Ansätzen der anderen Regionen) waren unauffällig. Also: Abwarten, irgendwann löst es sich von allein. Das war vor 5 Jahren.

Eine passende Studie oder einen Arzt mit Ahnung davon, hab ich bisher noch nicht gefunden.

Denn die meisten sagen: “Ohne Sex ist’s kein Vaginismus”.

Ja was dann????

Vaginismus: Keiner weiß so wirklich was los ist. Woher es kommt, warum es da ist. 

Die Autorin flydom

Keiner weiß so wirklich was los ist. Woher es kommt, warum es da ist. Man kann bei mir nicht mal mehr zwischen primärem und sekundärem Vaginismus unterscheiden. Die Beschwerden kamen in der Pupertät (primär) aber wer kann ausschließen, dass es Ereignisse davor gab?

Auch eine Psychotherapie half nicht gegen die Schmerzen beim Sex

Eine psychotherapeutische Behandlung verlief ins Leere. Dort wurde es auf die Depression geschoben, wobei man sich da auch wieder nicht sicher war. Frühkindliche Vergewaltigung wird immer in den Raum geschmissen… aber wer kann das überprüfen? In den Krankenakten gabs nie Hinweise darauf und auch Angehörige haben nichts beschrieben (ich glaube ihnen).

Es könnte ein zu festes Jungfernhäutchen sein, welches nicht nachgeben will. Aber das ist ein Stück weiter hinten, so tief war da noch nichts. Zumal nach dem ganzen Leistungssport in der Jugend, hält der Frauenarzt das für unwahrscheinlich.

Das habe ich bereits gegen den Vaginismus probiert

Natürlich schmeißen alle mit Lösungen um sich:

  • Botox spritzen (Ich bin Spritzenphobiker und unter Beruhigungsmitteln darf es nicht gemacht werden) 
  • Hypnose (kann ich mir nicht leisten. Besonders nicht, weils nach zwei Sitzungen getan ist… nein ich bin nicht gut zu Hypnotisieren – das würde viele Stunden brauchen und das sind Kosten, die natürlich die Krankenkassen nicht zahlen)
  • Entspannungstechniken (hab viele versucht, keine passenden gefunden) 
  • Vaginaldilatoren (Schmerzt, ich breche vorher ab – ja auch mit Schmerztabletten versucht) 
  • Beckenbodentraining (haha… ewig gehabt und die Muskulaturen sind vorhanden und ich kann sie bewusst anspannen und entspannen xD) 
  • Psychotherapie (beschrieben) 
  • Biofeedback (werde ich tatsächlich noch in Anspruch nehmen, sobald es möglich ist – wobei ich hier das vaginale Biofeedback nicht machen werde) 
  • Reizstrom empfand ich als sehr unangenehm 
  • Selbst mit „Scheiß-egal-Tabletten“ habe ichs allein versucht… dem da unten wars nicht scheiß egal. 
  • Sogar Homöopathie hab ich hinter mir. 
  • Osteopathie hat auch nichts gebracht… war nur teuer. 
  • Eine Operation (wird nur noch selten durchgeführt) ist bei mir vermutlich nicht sinnvoll, da bisher keine Fehlbildung bekannt ist – dazu später mehr. 

Ich hab alles Mögliche durch. In sämtlichen Zuständen versucht was einzuführen, vom Q-Tipp bis zum kleinsten o.b. (den habe ich extra angefordert… gabs so nicht zu kaufen – zumindest nicht hier). Ich habe mir Glasdilatoren gekauft (ich mag kein Metall) usw….

Ich habe meinen Vaginismus akzeptiert

Okay, ich habs akzeptiert. Es schützt mich ja auch vor gewissen Dingen. Es hat lange gedauert bis ich’s einfach so akzeptieren konnte, es kommunizieren konnte und überhaupt einen Namen dafür hatte. Und endlich von dem Denken weg kam “Du stellst dich an“, “Du bildest dir das ein”.

Ich hatte mit vielen doofen Kommentaren zu kämpfen.

“Stell dich nicht so an”, “Du bildest dir das ein” (haha… hatten wir ja grad?), “Du bist einfach noch nicht bereit dazu”, “Dann war noch nicht der Richtige dabei!”, “Du bist einfach in der Entwicklung stehen geblieben” oder auch schön: “Augen zu und durch!”. Es gab natürlich auch die Hardcoreidioten. “Komm ich erledige das mal kurz”, “Ich gebe dir dafür auch ein Taschengeld, damit ich das erledigen kann”, “Du hattest halt noch keinen geilen Lover wie mich”. “Woah eine Jungfrau wollte ich schon immer mal lecken”.

Ja bei solchen Kommentaren habe ich Krämpfe gespürt. Allerdings eher vor Übelkeit.

Was ich beim Thema Vaginismus immer wieder gefragt werde

Es wurden viele Fragen gestellt, welche ich hier auch beantworten werde.

Hast du Angst vor Sex wegen dem Schmerz?

Ja und Nein.

Ja, natürlich habe ich Angst vor den Schmerzen, sehr oft muss ich “Versuche” deswegen abbrechen.

Hat dich denn schon mal wer stimuliert oder geht das gar nicht?

Doch natürlich geht das. Klitoral ist alles in Ordnung und auch sonst ist das Gefühlsleben da unten wunderbar 🙂

Wie würdest du dich fühlen wenn jmd. zwischen deine Beine geht und mit der Zunge an deine Vagina geht? Wie fühlt sich das an?

Meine Partner gehen selbstverständlich mit der Zunge dorthin. Und es fühlt sich sehr intensiv und sehr angenehm an.

Wie lebst du dann deine Sexualität aus?

Ich habe das Glück, dass ich meine Erfüllung in einer anderen Sparte der Sexualität gefunden habe. BDSM hat so viele schöne Komponenten und man benötigt ja keinen Sex 😉

Ich lebe Polyamor. Früher undenkbar, jetzt genau das was ich brauchte. Ich bin nicht auf einen Partner beschränkt und diese können eben auch so an Sex kommen. Monogam habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir dann fremdgegangen wird. Deshalb habe ich mich dagegen entschieden und bin mit Poly seitdem sehr glücklich ♥ Durch das Verständnis meiner Partner ist die ganze Sache mit dem Sex sehr entspannt geworden. Sie unterstützen mich, wo und wie sie können und sind niemals nachtragend, wenn es mal wieder nicht funktioniert hat. Im Gegenteil, sie sind dann für mich da.

Kannst du trotzdem Orgasmen haben?

Ja kann ich.

Tut dir der Orgasmus weh?

Nein.

Geht denn Analsex?

Nein. Aber nicht, weil es nicht geht, das weiß ich gar nicht. Für mich ist der Gedanke nicht erotisch oder schön. Männer mit dem Strapon nehmen macht mir Spaß (wer kann schon behaupten von einer Jungfrau gevögelt worden zu sein ;)) aber ich selbst, bei mir, möchte das einfach nicht.

Wie gehen Männer damit um?

Männer, die mich kennenlernen, schrecken oft zurück. Ich bin sehr schnell “unten durch”, da merkt man immer wie wichtig klassischer Sex Männern doch ist. Naja, oder wie oben schon beschrieben, schreiben sie ziemlich respektlose Zeilen. Ich habe das große Glück an wunderbare Partner geraten zu sein, welche das akzeptieren und mir den nötigen Freiraum, die Zeit und auch das Verlangen des “Übens” lassen. Sie unterstützen mich soweit es geht, drängen mich niemals und sind da sehr sehr vorsichtig und verständnisvoll. Da hab ich sehr großes Glück gehabt und darüber bin ich sehr dankbar.

Wie gehe ich als Mann damit um, wenn meine Freundin unter Vaginismus leidet?

Sei respektvoll, gib ihr Zeit, setz sie nicht unter Druck, verletze sie nicht, informiere dich, redet drüber. Sei einfach sanft zu ihr 🙂

Du lernst sie kennen und sie hat es: überlege dir, ob du damit umgehen kannst, aber sei offen. Und denke nicht, Betroffene seien prüde. Sexualität kann so vielschichtig sein.

Ist es für dich unangenehm?

Ja und nein. Natürlich will man nicht immer deswegen weggeschoben werden. Aber inzwischen stehe ich darüber, informiere und helfe anderen. Sonst würde ich auch diesen Text nicht schreiben.

Bist du schonmal verzweifelt gewesen?

Ja natürlich. Man zweifelt daran, warum man selbst betroffen ist, was man so machen kann und ob der Partner wirklich damit umgehen kann und man nicht fallen gelassen wird.

Bin ich allein damit?

Nein, gibt einige Betroffene. Ärzte kennen dieses Krankheitsbild auch.

Wie geht’s jetzt weiter?

Das habe ich mich auch gefragt. Vor ein paar Wochen habe ich mich mit meinem Frauenarzt zusammengesetzt. Wir sind noch einmal alles durchgegangen. Letztendlich haben wir uns für den Operativen Eingriff entschieden. Ich werde ambulant narkotisiert und untersucht. Sollte etwas gefunden werden, auch gleich behoben (sofern nichts Großes).

Wann es soweit ist, wissen wir noch nicht. Ich sollte mir Zeit nehmen und darüber mit Partnern, Freunden und dem Therapeuten reden. Allen die mir gut tun und für jeden Rat sinnvoll sind. Meine Partner stehen in der Entscheidung hinter mir. Möchte ich es, dann sind sie für mich da, aber sie würden mich auch weiterhin so akzeptieren wie ich bin und für mich da sein.

Ich denke Mitte des Jahres werde ich den Eingriff dann machen. Natürlich kommt erst noch der Krieg mit den Krankenkassen… aber das wird schon 🙂 Und ich werde weiterhin üben!

Ansonsten warten wir’s weiter ab, ich akzeptiere es ja und habe auch keinen Leidensdruck – Ich habe Zeit!

Wenn jetzt noch Fragen offen sind, dürfen die gerne gestellt werden. Ich bin da ja offen 🙂

Und falls noch jemand Ideen zur Behandlung hat, immer her damit ^^

Schreibt mir gerne an : flydom94@gmail.com  

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Foto von Luke van Zyl via unsplash.com