Die Geschichte eines jeden Paares beginnt mit dem Kennenlernen. Haha klar, wirst du sagen. Aber nicht nur chronologisch steht das Kennenlernen am Anfang. Die Geschichte der ersten Begegnung ist auch die, die ein Paar gewöhnlich als erstes über sich erzählt. Als ob im Augenblick des Aufeinandertreffens ein magischer Zauber liegt, der im Folgenden für die ganze Beziehung gilt. Frank Berzbach hat diesem folgenschwersten aller persönlichen Momente nun ein Buch gewidmet. In “Die Schönheit der Begegnung” erzählt er die Geschichte eines Kennenlernens 32 mal neu.

Kurzer Ausflug: Als Kind hatte ich ein Buch, in dem es am Ende jedes Kapitels dem Leser überlassen war, eine Wahl zu treffen. Soll die auf einer einsamen Insel gestrandete Figur in sicherer Ufernähe bleiben, oder den dichten Dschungel erkunden? Soll sie den mysteriösen Trommelklängen folgen, oder von der unbekannten Frucht essen? Je nachdem, wofür man sich entschied, nahm die Geschichte einen anderen Verlauf. Manche Handlungsstränge endeten schon in der Mitte des Buches im Treibsand. Andere nahmen unerwartete Wendungen und führten am Ende zur glücklichen Rettung. Man konnte das Buch wieder und wieder lesen, und jedes Mal ein neues Abenteuer erleben.

Zufall oder Schicksal? Die Schönheit der Begegnung liegt im Ungewissen

Frank Berzbachs Roman erinnert mich ein wenig an dieses Abenteuerbuch. In seinen Geschichten über das Kennenlernen sind es oft kleine Momente, die über das Schicksal entscheiden. Ein Streichholz, das im rechten Moment zur Hand ist (und es muss unbedingt ein Streichholz sein, kein Feuerzeug!). Ein vergessenes Gesangbuch. Eine Party, zu der man einen Tag zu früh erscheint.

Wieviele Beziehungen sind auf Zufall gegründet? Und doch möchte man im Nachhinein eine Bedeutung hinein interpretieren, das Schicksal bemühen. Auch die Beziehung zu meinem Freund Philipp fängt an mit einem “Hättest nicht ausgerechnet Du damals auf meine Annonce geantwortet…” Doch je älter ich werde, desto weniger möchte ich ans Schicksal glauben.

Denn Schicksal, das klingt so vorherbestimmt, final, blutleer. Wieviel lebendiger ist da doch der Zufall, der einen leichtfüßig durchs Leben trägt und mehrmals am Tag neue Möglichkeiten eröffnet! So wie der Zufall, dass ich eines Morgens in Berlin noch nicht gefrühstückt hatte.

Von Tätowierern, Imbissbuden und der Ästhetik des Unperfekten

Frank und ich lernten uns an einem heißen Frühlingstag in Berlin kennen, im Ostberliner Stadtteil Lichtenberg, in das sich sonst wenige Touristen verirren. Ich hatte mir dort gerade mein erstes Tattoo stechen lassen und stand nun unschlüssig vor dem Industriegebäude, in dem mein Tätowierer Tobi sein kleines Studio hat.

Glückshormone fluteten meine Adern, so stolz war ich auf die neue Farbe unter meiner Haut. Aber gleichzeitig wusste ich nicht, was mit dem Rest des Tages anzufangen wäre. Vor Aufregung hatte ich am Morgen außer einer Tasse Cappuccino bei Ben Rahim keinen Bissen heruntergebracht, und mein Magen forderte nun vehement Aufmerksamkeit. So landete ich in dem unscheinbaren chilenischen Imbiss auf der anderen Straßenseite, aus dem es so köstlich nach würzigen Empanadas und süßem Walnusskuchen duftete.

“Ist das ein Sputnik?” fragte Frank mit einem Blick auf die frische Folie an meinem Bein, als ich mich auf einen freien Platz neben ihn setzte. Er selbst hatte die Symbole für Glaube, Liebe und Hoffnung auf die Hände tätowiert, was mir Bewunderung abrang, hatte ich mich doch für eine deutlich konservativere Stelle für mein Tattoo entschieden. Sofort fanden wir uns mittendrin in einem Gespräch über das erste Tattoo, die Reaktion unserer Eltern, krumme Linien und die Ästhetik des Unperfekten.

Unperfekt endet auch diese Kennenlerngeschichte. Wie es mit mir und Frank weiterging? Nur so viel sei verraten: in Geschichte Nummer 29 spielt mein Alter Ego Lotta die Rolle des hilfreichen Zufalls. Alles weitere bleibt deiner Fantasie überlassen. Aber so hat es begonnen, genau so. Oder doch ganz anders?

Immer fragt man, vor allem die Glücklichen: Wie habt ihr euch kennengelernt? Vielleicht kommen Zeiten, in denen die Frage nach dem Anfang ersetzt wird durch die Frage nach der Gegenwart. Erinnert euch an das Jetzt, nicht nur ans Vergangene!

Frank Berzbach in “Die Schönheit der Begegnung”, Kapitel 31

“Die Schönheit der Begegnung”, 32 Variationen über die Liebe, ist ab sofort erhältlich beim Buchhändler deines Vertrauens.

Mehr über den Autor, Philosophen, Literaturpädagogen und Fahrradkurier Frank Berzbach und seine Bücher erfährst du hier.

Frank Berzbach

Die Schönheit der Begegnung

32 Variationen über die Liebe

192 Seiten
Erscheinungstag: 28.02.2020
Eisele Verlag
ISBN-13 978396161078
Hardcover 20€