Als ich zum Diktat gebeten werde, erwischt es mich eiskalt und heiß gleichzeitig. Denn es bittet mich nicht irgendwer, sondern Frau Marquardt – mit ihrem strengen Dutt, einer dunkel gerahmten Lesebrille auf der Nasenspitze und schwarzem Kostüm mit weißem Bubikragen hätte sie sofort die Rolle des Fräulein Prüsselius im Pippi-Langstrumpf-Film bekommen.

Würde Ihr Bubikragen nicht erst weit unterhalb des Halses beginnen und einen betörenden Ausschnitt freigeben. Auf den ich mich leider nicht lange konzentrieren kann, denn schon lässt mich Frau Marquardt auf ihrer Schulbank Platz nehmen, händigt mir Zettel und Stift aus und beginnt zu diktieren. Jetzt bloß nicht verschreiben, denn ich bin nicht Masochistin genug, mir die Folgen auszumalen.

Frau Marquardt ist in ihrem Element, fügt Satz an Satz, diktiert auch die Zeichensetzung, und schreitet dabei langsam vor dem Pult auf und ab. Mir gelingt eine fehlerfreie Niederschrift, und für meine Schönschrift heimse ich sogar ein besonderes Lob von Frau Marquardt ein.

Und ihr gelingt dabei etwas Wunderbares: ohne Berührung, ohne explizite Worte oder Gesten lässt Frau Marquardt zwischen den Zeilen eine Intimität entstehen, in der ich mich vollkommen angenommen und geliebt fühle. Für diesen kurzen gemeinsamen Moment. Ich werde wieder aus ihrem Schulzimmer entlassen mit dem Gefühl, etwas ganz besonders gut gemacht zu haben. Und das drückt irgendeinen Belohnungsschalter in meinem Hirn, der schon in der Kindheit eingebaut worden sein muss.

Was ist BDSM? Manchmal etwas sehr Sanftes. 

Dieser einfache Zusammenhang von “Machtgefälle – Lob – Wohlgefühl”
eröffnet mir eine ganz neue Variante von gelebter Dominanz. Es braucht nicht immer explizite und fühlbare Führung – manchmal reicht ein wertschätzender Blick über den Brillenrand, um sich ganz in die Präsenz des anderen fallenlassen zu können. Ich fühlte mich wie warmes Wachs in Frau Marquardts Händen.

Diese Begegnung wurde mir bei einem außergewöhnlichen Eroluna-Event auf Schloss Milkersdorf geschenkt. Ob ich Frau Marquardt je wiedersehen werde, weiß ich nicht. Aber dass der Inhalt ihres Diktats ein süßes Geheimnis zwischen uns bleibt, ist sicher.